Ein erstes Opfer von "Fußgängerflucht"
Kleinenbremerin erleidet bei Zusammenstoß in Minden Oberschenkelbruch / Polizei: So ein Fall bislang nicht bekannt

 

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Seit Wochen auf Gehstützen angewiesen: Marita Brinken sucht den Mann, der sie umgerannt und sich aus dem Staub gemacht hat. Auch Hund "Mandy" hält Ausschau. d-Foto: Stefan Lyrath

Von Stefan Lyrath

Porta Westfalica-Kleinenbremen (Ly). Verkehrsunfälle mit Fahrerflucht passieren ständig. Fußgängerflucht dürfte dagegen eher die Ausnahme sein. Der Pressesprecher der Kreispolizeibehörde in Minden, Wolfgang Wolter, kennt jedenfalls keinen Fall wie den von Marita Brinken aus Kleinenbremen.

Der Portanerin ist das ziemlich egal. Die 39-Jährige will einfach nur den Mann finden, der sie Mitte Januar in der Mindener Fußgängerzone über den Haufen gerannt und sich anschließend aus dem Staub gemacht hat, ohne seine Personalien zu hinterlassen. Als schmerzhaftes Andenken an jenes Missgeschick ist der Frau eine lange Operationsnarbe von der Hüfte bis zum Knie geblieben. Nach dem Zusammenprall war sie auf die rechte Seite gestürzt, hatte sich einen Schaftbruch des Oberschenkels zugezogen, musste drei Stunden im Klinikum operiert werden. "Ich lebe fast nur von Schmerztabletten", klagt Marita Brinken.

Die Kauffrau, die Reisebüros in Hausberge und Minden betreibt, ist für voraussichtlich drei Monate auf Gehstützen angewiesen, erledigt die nötigsten Arbeiten zu Hause. Das Büro in Porta musste sie bereits vorübergehend schließen. Bekannt geworden ist Marita Brinken als "Braut, die sich was traut", nachdem ein Fernsehteam die Hochzeit mit ihrem Mann Ulrich auf Schritt und Tritt begleitet hatte (das MT berichtete).

Bisher hat die 39-Jährige nichts gegen den mutmaßlichen Fußgängerflüchtigen unternommen. Sie hatte bis zuletzt gehofft, der Unbekannte, der nach ihrer Erinnerung mit einem Freund unterwegs war, etwa 25 Jahre alt ist, dunkle Haare hat und eine schwarze Steppjacke trug, würde sich vielleicht noch melden. "Ein Besuch im Krankenhaus und ein Blumenstrauß hätten mir ja gereicht."

Jetzt will Marita Brinken zur Polizei gehen. Pressesprecher Wolfgang Wolter: "Sie kann Anzeige wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort erstatten." Der Zusammenprall sei im öffentlichen Verkehrsraum erfolgt. Autos oder andere Fahrzeuge müssten nicht beteiligt sein, um den entsprechenden Tatbestand in Paragraph 142 des Strafgesetzbuches (kurz: Unfallflucht) zu erfüllen.

Mann verschwand, als Krankenwagen kam

Wolter kennt Fälle von "Fußgängerflucht", in denen etwa Passanten bei Rot über eine Ampel gegangen seien, dadurch einen Auffahrunfall verursacht und sich aus dem Staub gemacht hätten. Er kennt Beispiele von Zusammenstößen zwischen Radlern und Fußgängern, ebenfalls mit anschließender Flucht von Letzteren. Aber "unerlaubtes Entfernen" nach Unfällen von Fußgängern untereinander kennt Wolter nicht.

Marita Brinken erwägt außer einer Strafanzeige auch eine Zivilklage. Vor Gericht könnte sie Schadenersatz und Schmerzensgeld geltend machen. Um Erfolg zu haben, müsste die 39-Jährige nach Einschätzung von Juristen allerdings beweisen, dass der Beklagte sie fahrlässig oder sogar vorsätzlich umgerannt hat.

Am Tag des Unglücks, dem 17. Januar, einem Mittwoch, bummelte die Portanerin mittags mit ihrem Schwiegervater und West-Highland-Terrier "Mandy" durch die Mindener City. Plötzlich spürte sie einen heftigen Stoß von links und stürzte. "Ich lag auf dem Boden, tausend Leute um mich herum." Darunter auch der unbekannte Rempler, der die etwas verängstigte "Mandy" auf den Arm genommen hatte. "Ich habe sie gar nicht gesehen", soll der Mann zu Marita Brinken gesagt haben. Der Krankenwagen kam. Als sie auf die Trage gelegt wurde, bat die Verletzte einen Sanitäter, Namen und Adresse ihres Unfallgegners zu notieren. "Aber da war er schon weg." Auch der Schwiegervater hatte vor lauter Aufregung versäumt, die Personalien zu notieren.

Unbekannter muss mit Geldstrafe rechnen

Sollte es dennoch gelingen, den Unbekannten zu ermitteln, droht ihm eine Anklage der Staatsanwaltschaft wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort sowie darüber hinaus wegen fahrlässiger Körperverletzung, über die vorm Amtsgericht verhandelt würde. "Er müsste als Ersttäter mit einer Geldstrafe rechnen", sagt der Bückeburger Strafrichter Günter Wilke, dem in 25 Jahren noch kein vergleichbarer Fall untergekommen ist.

Nachdem im Krankenhaus hohe Kosten entstanden sind, droht dem Gesuchten auch von anderer Seite Ungemach: "Krankenkassen würden in einem solchen Fall Ersatzansprüche geltend machen und versuchen, sich ihr Geld vom Schädiger selbst oder dessen privater Haftpflicht zurückzuholen", erklärt Rolf Breuker, Geschäftsführer der Techniker Krankenkasse in Minden: "Wenn er mittellos ist, wird es allerdings schwierig."


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09.03.2001
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