Seit Jahrzehnten Hauptakteur des
Lütkenbremer Ahnebeiers: Großbauer Paul (Dobrinsky), begleitet von Magd Anke
Horn-Blumberg. Links Ortslandwirt Heinrich Werkmeister, der die Veranstaltung koordiniert
hatte. Foto: Wilhelm Gerntrup
Von Wilhelm Gerntrup
Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). In stark abgespeckter Form ging in diesem Jahr
das Kleinenbremer Erntefest über die Bühne. Höhepunkt waren die Erntereden von Bauer
Paul und Erntemagd Anke.
Bis vor ein paar Wochen sah es so aus, dass die lange Tradition des Lütkenbremer
Ahnebeiers abreißen würde. Die bisher im jährlichen Wechsel als Veranstalter
auftretenden Vereine, der TuS, der Schützenverein Freie Hand und die Feuerwehr, wollten
nicht mehr. Neben mangelnder Unterstützung spielt auch das Geld eine Rolle. Die Zeiten,
in denen mit der Ausrichtung des Festes die Vereinskasse aufgebessert werden konnte, sind
vorbei.
In diesem Jahr wäre eigentlich die örtliche Löschgruppe an der Reihe gewesen. Doch die
hatte bereits vor mehreren Monaten ihren Rückzug erklärt. Versuche, eine andere Lösung
zu finden, schienen erfolglos. Erst durch eine Initiative von Ortslandwirt Heinrich
Werkmeister kam in letzter Minute eine Art Notgemeinschaft zur Rettung des Kleinenbremer
Erntefestes zustande. Neben den Bauern stiegen TuS-Trachtengruppe, Heimatverein,
Siedlerbund und die Kirchengemeinde mit Posaunenchor und Kindergarten ein.
Wegen der knappen Vorbereitungszeit langte es nur noch zu einem sonntäglichen
Kurzprogramm. Es begann am frühen Nachmittag mit einer Plattdütsken Kerken. Die Predigt
hielt der pensionierte Pastor Wilhelm Dullweber aus Frotheim. Ein paar Stunden später
ging es auf dem Hof der Gastwirtschaft Schöne Aussicht mit den Erntereden von Bauer Paul
(Dobrinsky) und von Magd Anke (Horn-Blumberg) weiter. |
|
Die knapp 400 Zuhörer mussten
ihr Kommen nicht bereuen. Es gab auch diesmal viel zu lachen und zu schmunzeln. Auf platt
und mit todernster Miene servierte Bauer Paul eine ganze Menge aufregender Histörchen aus
der Kleinenbremer Gesellschaft. Der Bezirksausschuss und die Stadtverwaltung mussten sich
fragen lassen, warum in Selliendorf die Häuser umnummeriert wurden, obwohl dort angeblich
gar keine neuen Häuser mehr gebaut werden dürfen. Seinen Vers bekam auch ein Ehemann,
der bei seiner Goldenen Hochzeit nicht zum Ehrentanz antreten konnte, weil er heimlich
unterm Tisch die neuen, viel zu engen Schuhe ausgezogen hatte. Deftige Details wußte Großbauer Paul auch über die Reaktionen
der männlichen Kleinenbremer auf das "supergeile Dreamhouse" im Lindenhof zu
berichten: En poor öllere Kerls meinen, endlich wür Leben in Dörpe - doch de kreegen
wat tau hürn: Jie olen Lüstlinge, jie könt klaug kürn, harup möje woll kumn,
awer wer schall jück wir runnerbürn (herunterheben).
Still wurde es allerdings, als Bauer Paul sichtlich bewegt auf das Hin und Her beim
diesjährigen Erntefest selbst zu sprechen kam. "Wenn dor nich ein poor sind, de in
de Hänne spucket un packet an, denn spannt ok Buer Paul bohle nich mehr an", warnte
er.
In die gleiche Kerbe hatte zuvor auch Erntemagd Anke gehauen. Wenn immer mehr zuschauten,
seien alte Traditionen wie das Erntefest zum Sterben verurteilt, forderte sie die
Lütkenbremer in plattdeutschen Reimen zu mehr Engagement für die dörflichen
Angelegenheiten auf.
Umrahmt wurde das Tagesprogramm von der Trachtentanzgruppe des TuS. Der stellvertretende
Portaner Bürgermeister Hans-Martin Polte überbrachte neben Grüßen aus dem Rathaus auch
einen Umschlag mit Inhalt. Zum Tagesausklang stand ein gemütliches Beisammensein im Saal
der "Schönen Aussicht" auf dem Programm.
copyright by mt-online.de
05.09.2001
Achtung: Artikel, Fotos und sonstige Informationen aus dem MINDENER
TAGEBLATT / MT-ONLINE sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne Einwilligung
der Chefredaktion verwandt werden.
|