Mehr als nur ein Tanzkostüm
Kleinenbremer Trachtentage lockten zahlreiche Besucher an / 20 Garnituren zusammengetragen

      
Von Wilhelm Gerntrup

Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). 19 Kleidungsstücke trug einst eine Trachtenbraut bei der Hochzeit am Leibe - eine harte Geduldprobe nicht zuletzt für den Bräutigam. Bei den Kleinenbremer Trachtentagen 2001 kam einiges aus der heimischen Be- und Entkleidungs- geschichte ans Tageslicht.

Die Tracht sei mehr als ein schmuckes Tanzkostüm, erklärte Christa Costa, Leiterin der örtlichen Trachtengruppe, den zahlreichen Zuschauern. Wams (Mieder), Müssen (Haube) und Hanschen (Unterarmbekleidung) seien auch und vor allem erhaltenswerte Zeugnisse der heimischen Alltagskultur. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, haben die knapp 20 Männer und Frauen des Teams die Trachtenforschung in den Mittelpunkt ihrer Liebhaberei gerückt.

Das sei nicht immer so gewesen, bekannte Costa. Bei der Gründung der Truppe vor gut 20 Jahren sei es hauptsächlich darum gegangen, dem örtlichen Erntefest wieder mehr Pep und Farbe zu verleihen. Inzwischen jedoch geht es in Lütkenbremen vor allem um Geschichte und Denkmalpflege. Dank intensiver Suche hat die Gruppe eine Sammlung von 20 Komplettgarnituren zusammen.

Fachleute schätzen vor allem die Konzentration auf das örtliche Umfeld. Das meiste stammt aus den Schränken und Truhen alteingesessener Kleinenbremer. Das Dorf gehörte zur Trachtenlandschaft der nahe gelegenen Fürstenresidenz Bückeburg. Hervorstechendes Merkmal sind die ausladenden Dutzenmüssen (Flügelhauben).

Was partout nicht mehr aufzutreiben war, wurde unter Anleitung von Trachtenvater Alfred Gerntrup originalgetreu nachgearbeitet. Der gelernte Schneidermeister ist in einem Trachtenelternhaus aufgewachsen. Um das Wissen um Bedeutung und Schönheit der historischen Kleidung nicht untergehen zu lassen, kam die Truppe vor drei Jahren auf die Idee, die kostbaren Schätze im Rahmen regelmäßiger Trachtentage zu zeigen.

Darüber hinaus versuchte man mit Erfolg, frühzeitig junge Dorfnachbarn für die Trachten zu begeistern. Unter der Regie von Dorle Drinkuth sind seit Jahren an die 50 Kinder und Jugendliche mit Feuereifer bei der Sache.
Am Wochenende gingen die zweiten Kleinenbremer Trachtentage über die Bühne. Schauplatz der farbenprächtigen Show war der Medienraum des Besucherbergwerks. Durch das Programm führte Alfred Gerntrup. Unter seiner Regie stellte eine Reihe großer und kleiner Teammitglieder neun verschiedene Trachtenformationen vor. Den Auftakt machten Arbeits-, Sonntags- und Festtagskleidung.

Leute, die etwas auf sich hielten, wussten damals genau, was zu welchem Anlaß passte und was nicht. So musste vor 100 Jahren eine Witwe den Zustand ihrer Trauer noch in drei verschiedenen Varianten kundtun: Ein Jahr in tiefem Schwarz, dann nach und nach wieder ein bisschen Farbe, und Blau oder Lila während der Vierteltrauer.

Aussagekräftige Kleidung

Auch sonst sagten Form und Farbe von Schürzen, Strümpfen, Plitts (besticktes Haubenvorderteil) und Krallen (Bernsteinhalsband) eine ganze Menge über Zustand und Herkunft der Trachtenträger und -trägerinnen aus. Höhepunkt der gut einstündigen Show war die Demonstration kostbarer Konfirmations- und Abendmahlstrachten und einer farbenprächtigen Brautkollektion.

Auf die Hochzeitsmontur sind die Kleinenbremer besonders stolz. Sie gehörte einst einer wohlhabenden Bauerntochter. Etwas vergleichbares sei hierzulande nur noch selten zu sehen, erfuhren die gut 200 Besucher, die darüber hinaus auch eine ganze Menge über den Arbeitsalltag und die Lebensgewohnheiten der Menschen während der hohen Zeit des Trachtentragens mitbekamen.

Die dauerte in Kleinenbremen etwa von 1860 bis und 1930. Die letzten Schaumburger Trachten verschwanden nach dem Zweiten Weltkrieg in den sechziger und siebziger Jahren aus dem Dorfbild.


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31.10.2001
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