Kommt doch nicht alles Gute von oben? Auf dem
Kleinenbremer Kirchturm soll eine Mobilfunkantenne installiert werden.Foto: Gerntrup
Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). Bisher schallt den Kleinenbremern von ihrem
Kirchturm nur Glockengeläut entgegen. So Mannesmann-Vodafone will, kommt demnächst aus
der Höhe auch Mobilfunk herab.
"Für uns ist das Thema erledigt", gibt sich Pastor Ekkehard Karottki
entschlossen. Die jüngsten Diskussionen um mögliche Gefahren durch Elektrosmog hätten
das Presbyterium zum Umdenken veranlasst. "Auf unseren Kirchturm kommt keine
Mobilfunkantenne mehr drauf". Ob die Prophezeiung des Dorfgeistlichen eintritt,
scheint indes ungewiss
Immerhin gibt es einen rechtsgültigen Vertrag. In dem vor zwei Jahren ausgehandelten
Papier sichert die Kirchengemeinde Kleinenbremen-Wülpke dem D2-Mobilfunkbetreiber
Mannesmann-Vodafone die Erlaubnis zum Einbau einer Sende- und Empfangsanlage im Turm des
örtlichen Gotteshauses zu. Die Antenne soll unterhalb der Kirchturmuhr angebracht werden
und ist von außen nicht auszumachen.
"Wir haben damals keinen Grund gesehen, das Angebot abzulehnen," erklärt Pastor
Karottki den Beginn der Geschichte. Die Aussicht auf 307 Euro (600 Mark) monatlich extra
habe man angesichts der immensen Unterhaltungskosten nicht einfach in den Wind schlagen
können.
Auch Landeskirche und Kirchenkreis hätten ausdrücklich zugestimmt. Als dann auch noch
die Denkmalpfleger ihr Okay signalisierten, habe man die Unterschrift unter das Papier
gesetzt. Als Gesprächspartner von Mannesmann hatten es die Lütkenbremer hauptsächlich
mit Stefan Fehsing zu tun. Fehsing ist Bauleiter in der Dortmunder Konzernniederlassung
Nordwest.
Doch dann machte sich, im Gefolge der Elektrosmog-Diskussion, im Presbyterium zunehmend
Unbehagen breit. Das war wohl auch der Grund dafür, dass man sich nur zögerlich zur
Unterrichtung der Einwohner entschloß. Der Kirchenvorstand sei übereingekommen, auf das
Angebot des Netzbetreibers einzugehen, erfuhren die Lütkenbremer Mitte dieses Jahres,
neun Monate nach Vertragsabschluss, aus dem Gemeindebrief.
Eine Gesundheitsgefährdung ist nach dem heutigen Stand von Wissenschaft und Technik
ausgeschlossen, war dort zu lesen. Dies sichert der Netzbetreiber zu.
|
|
In Presse und Rundfunk wurde
derweil immer häufiger über die Ängste und Sorgen von Leuten wegen tatsächlicher oder
vermeintlicher Gesundheitsgefahren berichtet. Während ein Teil der Experten solche
Befürchtungen als grundlos abtat, schrieben andere wahre Schreckens- szenarien bis hin zu
Hormon- und Nervenstörungen und Krebsgefährdung an die Wand. Die Folge: Landeskirche Bielefeld und Kirchenkreis Minden bliesen
zum Rückzug. Auch in Lütkenbremen selbst war ein erstes Grummeln zu hören. Spätestens
da sei man sich im Presbyterium einig geworden, dass man aus der Sache wieder rauskommen
müsse, beschreibt Pfarrer Karottki den Fortgang der Angelegenheit. Mannesmann-Mitarbeiter
Fehsing habe zur Freude aller großes Verständnis für den Sinneswandel gezeigt. Mehr als
einmal habe er in Gegenwart von Zeugen versichert, dass man auf den Kirchturm verzichten
und sich nach einem anderen Standort umsehen werde.
Pfarrer Karottki wies das Pfarrbüro wurde angewiesen, die pünktlich jeden Monat
eintrudelnden Mietzahlungen wieder zurückzugeben. Jedoch: die Mannesmann-Leute schickten
das Geld postwendend wieder zurück. Auch sonst geht man in der Düsseldorfer Firmen-
zentrale nach wie vor von der ordnungs- gemäßen Erfüllung des Mobilfunk- vertrages aus.
"Kirchtürme sind das Beste, das wir kriegen können", bekräftigt
Unternehmenssprecher Jens Helldobler.
Das Unternehmen denke deshalb derzeit nicht über eine Auflösung der geltenden
Vereinbarung nach. Wenn es auf unterer Ebene anderslautende Aussagen gegeben habe, sei das
nicht mit der Geschäfts- leitung abgestimmt. Einen Zeitplan für die Installation der
Antenne kann oder mag Helldobler jedoch nicht nennen. Die Verunsicherung im Lütkenbremer
Presbyterium kann er sich nur mit einem offensichtlich vor Ort vorhandenen
Informationsdefizit erklären. Seine Firma sei jederzeit bereit, den Kirchenvorstand bei
der Aufklärungsarbeit gegenüber den Bürgern vor Ort zu unterstützen.
Was dabei auf die Presbyter zukommen kann, hat jüngst die Führungsriege der
Nikolai-Kirchengemeinde im benachbarten Rinteln erfahren. Die hatte, genau wie die
Kleinenbremer, einen Antennenvertrag mit Viag Interkom unterschrieben. Eine kürzlich
anberaumte Info-Veranstaltung ging in stürmischen Protestbekundungen unter. Der
Gemeindeführung wurde Geheimniskrämerei, ethisches und moralisches Versagen und
Begünstigung von Menschenversuchen vorgeworfen. "St. Nikolai darf nicht St. Viag
werden", hieß es in einer von 750 Rintelnern unterstützen Unterschriftenaktion.
copyright by mt-online.de
14.11.2001
Achtung: Artikel, Fotos und sonstige Informationen aus dem MINDENER
TAGEBLATT / MT-ONLINE sind urheberrechtlich geschützt und dürfen nicht ohne Einwilligung
der Chefredaktion verwandt werden.
|