Letzte Bergmannssiedlung entstand vor 50 Jahren
Teil der Bewohner am Mühlenkamp lebt dort seit Gründerzeiten / Gute Absatz durch Nachfrageboom von Eisen und Stahl

      
Von Wilhelm Gerntrup

Porta Bergmannssiedlung (gp). Ein rundes Straßenfest können in diesem Jahr die Leute vom Kleinenbremer Mühlenkamp feiern. Ihre Häuser wurden vor 50 Jahren als letzte Bergmanns- siedlung im Dorfe gebaut.

Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg verhalf auch der Eisenerzgrube Wohlverwahrt zu neuer Blüte. Die Grube gehörte den Vereinigten Stahlwerken Dortmund. Die Nachfrage nach Eisen und Stahl war so groß, dass sich auch für das eher magere heimische Klippenflöz gute Absatzchancen auftaten. Die günstige Entwicklung schlug sich auch in der Fördermengen- und Mitarbeiter- statistik nieder. Während 1946/47 etwa 200 Mitarbeiter pro Jahr an die 170 000 Tonnen Gestein abbauten, sprengten Ende 1951 bereits 420 Kumpel mehr als 840 000 Tonnen aus dem Berg.

Eine weitere Verbesserung der Wirtschaftlichkeit ließ die Zusammen- legung der bis dato getrennt fördernden Betriebsteile Kleinenbremen und Nammen erwarten. Am 13. Februar 1952 gelang direkt unter den Häusern von Wülpke der Stollendurchstich. Seitdem konnte das Erz aus beiden Feldern wesentlich Kosten- günstiger in Nammen zu Tage gebracht werden. Angesichts der rosigen Zukunfts- perspektiven war die Dortmunder Unternehmensleitung bemüht, die Bergleute langfristig an sich zu binden. Die stark steigende Nachfrage nach Arbeitskräften hatte bereits etliche Kumpel zu einem Umstieg in leichtere Jobs veranlasst. Bevorzugte Abnehmer waren EMR, VW und die städtischen Bauhöfe. Um den Abwanderungsgelüsten entgegenzuwirken, beschloß die Zeche ein ehrgeiziges Wohnungsbauförderungs- programm. In einem ersten Teilabschnitt wurden in Kleinenbremen acht Häuser für 16 Bergmannsfamilien hochgezogen. Als Standort wählte man den Kleinenbremer Mühlenkamp. Seinen Namen hat die Gegend von der direkt daneben gelegenen, über 700 Jahre alten Wassermühle (Niemölls).

Das Land gehörte bis dato zum Meierhof. Zum Förderprogramm für die Bergleute gehörten neben zinsgünstigen Arbeitgeber-, Landes- und
Knappschaftsdarlehen auch Material- und Handwerkerleistungen. Den (Einheits-) Entwurf für die Häuser lieferte der Kleinenbremer Architekt Karl Struckmeier, im Hauptberuf Chef des Mindener Kreisbauamts. Die Heim- stättenplätze waren begehrt. Aus dem Kreis der Interessenten wurden als glückliche Gewinner Klaus Metzner, Fritz Bokeloh, Hermann Harting, Hermann Sommerburg, Heinrich Harting, Alfred Becker, Fritz Döhring und Rudi Zapf ausgelost. Sie konnten ihre neue Heimstatt nach dreijähriger Probezeit, in der sie laut Vertrag ihre Siedlerfähigkeit unter Beweis stellen mußten, für immer in Besitz nehmen.

Ein Teil der damaligen Häuslebauer bzw. ihre Familien leben heute noch in ihren Häusern. Die Ecke gilt mittlerweile als bevorzugte Wohngegend. Beim Richtfest im Herbst 1952 kündigte Heimstättenchef Dr. Forstmann in Gegenwart von Landrat Kohlmeier, Bürgermeister Prasuhn, Betriebsführer Möller und Betriebsrats- vorsitzendem Kloß den Bau weiterer Bergmannssiedlungen in Kleinenbremen an. Doch daraus wurde nichts.

Knapp zehn Jahre später setzte die bis heute andauernde Strukturkrise im deutschen Bergbau ein. Auch die Zahl der Mitarbeiter der mittlerweile in die neu gegründete Barbara Erzbergbau AG eingegliederten Grube Wohlverwahrt ging stetig zurück. Damit hatte sich auch das Thema von weiteren Bergmanns- siedlungen erledigt. Alles spricht dafür, dass es bei den bisher insgesamt 300 Bergmannsheimstätten und Zechenwohnungen in Kleinenbremen bleiben wird. Sie waren mit Ausnahme des Mühlenkamps allesamt bereits Ende der dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts oberhalb des Dorfes am Everdingsbrink, am Rott und auf der Lieth hochgezogen worden.


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28.05.2002
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