Den Blick für die kleinen Dinge bewahrt
Marlies Kuhlmann hat Geschichten ihrer Kindheit aufgeschrieben / In der Bergmannssiedlung aufgewachsen

      

Von Wilhelm Gerntrup

Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). Aus eigenem Erleben eine Erlebniswelt für Kinder: Die 60-jährige Bergmannstochter Marlies Kuhlmann aus Kleinenbremen hat Geschichten aus ihrer Kindheit aufgeschrieben. Herausgekommen ist ein 80-seitiges Buch zum Lesen und Vorlesen.

"Damals, als Lisa ein kleines Mädchen war", heißt die Paperback-Ausgabe. Sie enthält 22 Geschichten für junge und jung gebliebene Leser. Dazu gibt es etwa 30 Fotos und eine Reihe von zumeist längst vergessenen Kinderreimen.

Im Begleittext erfährt der Leser auch ein wenig über die Autorin: Marlies Kuhlmann ist 1942 in Kleinenbremen geboren und in der Bergmannssiedlung Lieth aufge- wachsen. Sie wurde Berufsschullehrerin und arbeitete bis zu ihrer Pensionierung in Rinteln. Zur Familie gehören Ehemann und zwei Kinder.

"Ich saß nach einer schweren Erkrankung in einem ganz tiefen Loch", beschreibt die Autorin den Anstoß für ihr literarisches Schaffen. "Das Schreiben hat mir geholfen", da wieder herauszukommen. Eine Vorliebe fürs Geschichtenerzählen habe sie jedoch schon immer gehabt. Vorher sei das allerdings nur den eigenen Kindern zugute gekommen. Ohne gute Nacht-Geschichte gingen die nicht ins Bett. Auch damals seien es weniger Grimms Märchen, als vielmehr die eigenen, in kleine Geschichten verpackten Erfahrungen und Beobachtungen gewesen, die besonders gut angekommen seien. Kinder sind sehr anspruchsvolle Zuhörer, hat Marlies Kuhlmann gelernt. Je einfacher und einleuchtender eine Erzählung sei, um so größer und wunderbarer könne sie von jungen Menschen mit Fantasie ausgeschmückt werden.

Bewegtes Kapitel der Zeitgeschichte

So hat sie denn auch ihre Lisa- Geschichten mit ganz schlichten und schnörkellosen Worten und Sätzen zu Papier gebracht. Alles in dem Buch kommt leise daher - ein beinahe unge- wohnter und auf angenehme Art gewöhnungsbedürftiger Kontrast zu den lärmenden, effektheischenden Multi- media- Animationen. "Ich glaube, dass es wichtig ist, nicht das Wesentliche aus den Augen zu verlieren." Die Autorin selbst hat sich, das wird nach den ersten Sätzen klar, den Blick für die kleinen und kindlichen Dinge bewahrt.

Das war wohl auch der Grund dafür, daß sich zur Herausgabe ein Verlag mit großer Erfahrung in Bereich Jugendliteratur gefunden hat. "Wir sind sonst eher skeptisch gegenüber derartigen, sehr oft von Selbstverwirklichungsbemühungen getragenen literarischen Versuchen", meint Stefan Hutkap, Juniorchef des Merkur-Verlages. "Aber in diesem Fall haben wir die Sache gern in die Hand genommen."

Inhaltlich bietet das kleine Werk darüber hinaus einen zwar persönlichen, aber trotzdem aufschlussreichen Einblick in ein bewegtes Kapitel der Zeitgeschichte. Da erfährt man eine ganze Menge über das Leben der kleinen Leute im Nach- kriegsdeutschland, über die drangvolle Enge in den Siedlungshäusern und über die Zusammenarbeit und den Zusammen- halt der Nachbarn beim Wiederaufbau. Ältere (Vor-) Leser dürften sich zudem an ihre Erlebnisse in der Schule, auf dem Felde und beim Kaufmann an der Ecke erinnern. Insofern ist das Buch auch eine kleine Liebeserklärung an die Leute im Zechendorf Kleinenbremen.

Nicht zufällig findet deshalb die offizielle Vorstellung des Buches im Museum des Besucherbergwerks statt. Zu der Lesung am Mittwoch, 29. Januar, 19.30 Uhr, sind alle großen und kleinen Geschichts- und Geschichtenliebhaber eingeladen.

Das im Werk ist unter anderem in den Buchhandlungen Peetz (Hausberge) und Slagelambers (Minden) sowie beim Zeitschriftenhandel Girke (Kleinenbremen) und bei der Autorin (Telefon 05722 / 3994) zu haben.


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25.01.2003
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