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Klotziges, eiszeitliches Wülpker
Geschiebe-Relikt: Der kürzlich zu Tage beförderte erratische Block vor
dem Dorfgemeinschaftshaus.Foto: Wilhelm Gerntrup
Von Wilhelm Gerntrup
Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). Sand, Kies und große Teile
des hier- zulande vorhandenen Gesteins wurden in grauer Vorzeit von
Gletschern heran- transportiert.
Bei einem Vortrag im Kleinenbremer Bergwerksmuseum wurde die ganze
Vielfalt des eiszeitlichen Geschiebes erklärt.
Die Vorgänge im Laufe der Erdgeschichte übersteigen die menschliche
Vorstellungs- kraft. Mehrmals war die hiesige Region von dicken
Eisschichten bedeckt. Auslöser waren tiefgreifende Klimaveränderungen.
Die Temperatur auf der Erde sank so stark ab, dass sich die
skandinavischen Gletscher bis in unsere Breitengrade hinein ausdehnten.
Das passierte letztmals vor 500 000 Jahren während der sogenannten
Weichsel-Eiszeit.
An den Rändern der Eisdecke lebte damals neben Mammut und Nashorn auch
der steinzeitliche Mensch. Bei ihrer Vorwärts- bewegung drückten die bis
zu 300 Meter hohen Eiswände große Mengen Sand, Kies und anderes Geröll
vor sich her. Das Geschiebe war unterwegs aufgelesen und/oder abgehobelt
worden.
Nach der großen Schmelze blieb das über weite Strecken
herantransportierte Fremdmaterial zurück. Es bildete moränenförmige
Halden und füllte Täler und Senken.
Eine Menge Details über das damalige Geschehen sowie über Herkunft und
Zusammensetzung des Geschiebes brachte kürzlich der Geo- und Paläontologe
Dr. Mike Reich zu Gehör. Der Vortrag des Hannoveraners hatte weit über
100 Zuhörer und Zuhörerinnen ins Bergwerksmuseum gelockt.
Nach Reichs Darstellung stammt der Löwenanteil des in grauer Vorzeit
herangeschafften Materials aus der heutigen Ostseeregion und dem Baltikum.
Es setzt sich aus einer Fülle der unterschiedlichsten Gesteinssedimente
zusammen.
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Sammler schätzen Versteinerungen
Um Kennzeichnung und wissenschaft- liche
Auswertung kümmert sich eine eigens gegründete Gesellschaft für
Geschiebekunde. Sammler wissen vor allem die Vielfalt an Kristallen und
Versteinerungen zu schätzen.
Ein großer Teil wird heute als wertvoller Rohstoff genutzt, darunter die Ton-,
Sand- und Kiesvorkommen. Eine besondere Spezies im Geschiebe sind die
Findlinge. Ihre eigenwillige, oft nicht zum Fundort passende Erscheinung, die
unbekannte Herkunft und die geheim- nisumwitterte Vergangenheit haben schon
immer die Fantasie der Menschen beschäftigt.
In wissenschaftlichen Kreisen ist denn auch
von erratischen (verirrten) Blöcken die Rede. Handlichere Exemplare werden bis
heute gern und oft als Grab- und Mahnmale, Wegweiser oder Deko-Steine genutzt.
Den ganz großen Brocken wird eine Art mystische Verklärung zuteil. Einige
sollen einst vorgeschichtliche Opfer- stätten, Versammlungsorte oder Hexen-
tanzplätze markiert haben. Etliche tragen Namen und werden als touristische
Sehenswürdigkeiten bestaunt. Der bekannteste ist der in Tonnenheide liegende
Große Stein. Der 210 Kubik- meter mächtige und 350 Tonnen schwere Granit gilt
als größter Einzelstein Norddeutschlands.
Findling nun vorm Dorfgemeinschaftshaus
Ein weiterer berühmter Koloss ist der bei Nienburg gefundene, 125 Kubikmeter mächtige
und über 300 Tonnen schwere Giebichenstein. Sehen lassen können sich aber
auch viele der in heimischen Gefilden lagernden Exemplare. Ein besonders schönes
Stück ist seit kurzem in Wülpke zu bewundern. Es war von Helfern des Schützenvereins
beim Abriß und Ausgraben der Fundamente des alten Schießstandes geborgen
worden.
Beim Bau der Anlage in den sechziger Jahren hatte sich der Klotz noch nicht von
der Stelle bewegen lassen. Jetzt wurde er - dank neuzeitlicher
Schwerlasttechnik - als Außendekor vor dem Dorfgemeinschaftshaus aufgestellt.
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18.02.2003
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