Könniges Busch ist der Überrest eine Hudewaldes
Spuren in der Landschaft geben Hinweise auf Portaner Geschichte

      
Von Wilhelm Gerntrup

Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). Jeder Quadratmeter der heimischen Umgebung ist Kulturlandschaft von Menschenhand gestaltet und geschaffen. Wer genauer hinsieht, kann noch Spuren der Entstehungsgeschichte erkennen. Ein Beispiel ist der Könniges Busch in Kleinenbremen - seltener Überrest der einst großenflächigen Hudewälder.

Sie verschwinden mehr und mehr aus dem Landschaftsbild - die oft unauf- fälligen, aber charakteristischen Zeugnisse heimischer Alltagsgeschichte. Dabei hätten sie viel zu erzählen: Wälle, Feldscheunen und Haufen aufeinander- gestapelter Ackersteine weisen auf bäuerliche Nutzungstradition hin. Hohlwege, Dämme und Aufschüttungen zeigen den Verlauf alter Wegever- bindungen. Und Stollen, Kuhlen und Halden belegen industrielle Ausbeutung und Tätigkeit.

Manche Spuren erschließen sich erst auf den zweiten Blick. Dazu gehören die Überbleibsel der früheren Weide- und Mastwälder auch Hude- oder Hute- Wälder genannt (von hude/hute = hüten, weiden). Sie bedeckten bis vor 150 Jahren große Teile der Portaner Berghangregion. Für die Menschen waren sie lebenswichtig. Grund: Die Wälder waren seit germa- nischer Zeit Gemeinschaftseigentum (Allmende) der Dorfbewohner.

Jeder Alteingesessene durfte Holz schlagen und Viehmast betreiben. Das Aufpassen besorgten über Jahrhunderte hinweg die Kinder. Seit Erlass der Dorfordnung für das Fürstentum Minden im Jahre 1755 mussten die Bauerschaften (erwachsene) Hirten anstellen. Viehhaltung im Stall gab es noch nicht. Die kleinen Leute hielten neben Ziegen und Schafen hauptsächlich Schweine. Bis zur Schlachtreife verzehrte jedes Tier an die zwei Zentner Eicheln.

Nach Aufschreibungen aus dem Portaner Stadtarchiv hielten die Leute in den 14 Dörfern des Amtsbezirks Hausberge während der Hude-Saison 1821 mehr als 2500 Schweine im Wald. Ihr Fressbedarf dürfte bei 5000 Zentnern Eicheln gelegen haben.

Die Hude verhalf den Wäldern zu einem ganz eigenen Bewuchs. Dominierendes Element waren große, einzeln stehende Eichen. Aus ihren breit ausladenden Kronen regnete es im Herbst Eicheln. Unter und zwischen den Stämmen dehnten sich lichte Flächen. Dazwischen wucherten Hainbuchenbüsche. Die auch als Weißbuche bekannte Baumart kam als eine von ganz wenigen Pflanzen mit der Extrembeanspruchung zurecht: Sie vermochte sowohl die herumwühlenden Schweine als auch die Dauerbeschattung zu überleben.

Das bis zu 150 Jahre alt werdende Gehölz schlug trotz Kahlschlag immer wieder neu aus. Dazu lieferte es Brennholz und wurde zur Herstellung von Werkzeugen und Geräten genutzt. Dank der großen Härte und Festigkeit ließen sich die Stämme und Zweige der Hanebeuken hervorragend zu Wagenrädern, Dreschflegeln, Butterfässern, Webstühlen und Holzschrauben verarbeiten. Bis heute schlagen sich Bedeutung und Verbreitung - auch auf Portaner Siedlungsgebiet - in zahlreichen Orts- Flur- und Straßennamen nieder.

Das Ende des Allmende-Systems und der Hudewälder begann vor gut 200 Jahren. Die Dorfbevölkerung nahm stark zu und verarmte. Immer mehr Leute hielten immer mehr Schweine im Wald. Das führte zum Ruin. Die Gemeinschaftsmark wurde privatisiert und später zu Wiesen und Äckern umgebrochen. Heute sind große Bereiche bebaut.

Auch die noch vorhandenen Restbestände sind kaum noch als Ex-Weidewälder auszumachen. Die Masteichen sind bis auf Einzelstämme verschwunden, und auch die einst intensiv genutzten Hainbuchen bieten wie im Könniges Busch ein neues, stark verändertes Bild. Da sie schon lange nicht mehr abgehackt wurden, ist das Groß der Triebe zu einem bizarr anmutenden Niederwald durchgewachsen.

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02.04.2003
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