Ein Archivar lässt sich in die Pflicht nehmen
Wolfgang Karras ist neuer Heimatpfleger in Kleinenbremen und damit Nachfolger von Wilhelm Gerntrup

      

Wilhelm Gerntrup (rechts) hat Wolfgang Karras bereits vor Jahren zu seinem Nachfolger auserkoren. Beiden ist die Bewahrung der Heimatgeschichte wichtig. MT-Foto: Dirk Haunhorst

Von Dirk Haunhorst

Porta Westfalica-Kleinenbremen (mt). Manchmal hat man keine Wahl, sondern wird einfach in die Pflicht genommen. Auf diese Weise sind bereits viele Leute zu Ehrenämtern gekommen. Auch Wolfgang Karras, der neue Kleinenbremer Heimatpfleger.

1996 hat er gemeinsam mit Wilhelm Gerntrup an der Chronik der Kleinenbremer Kirche gearbeitet. Die Kooperation klappte gut, und Gerntrup sah in Karras den richtigen Mann, um später einmal sein Heimatpflegererbe anzutreten. "Wilhelm hat eigentlich gar nicht richtig gefragt, sondern mehr bestimmt, dass ich das mache." Karras schmunzelt, als er sich an diese Szene erinnert.

Der Wechsel vollzog sich in diesem Jahr. Wilhelm Gerntrup, der insgesamt zwölf Jahre lang engagiert zum Wohl der Lütkenbremer Heimatpflege gewirkt hat, trat zurück. "Ich bin ja vor einigen Jahren von Kleinenbremen nach Bückeburg gezogen, und da verliert man meines Erachtens die Berechtigung für solch ein Amt", sagt der 67-Jährige.

In Bückeburg begegnet Gerntrup seinem Nachfolger häufiger. Denn Karras arbeitet als Diplom- Archivar im Niedersächsischen Staatsarchiv, das Gerntrup bisweilen für seine heimatgeschichtlichen Recherchen aufsucht. Naheliegend, dass Karras der Pflege der Archive - ob im Verein oder der Stadt - eine besondere Bedeutung beimisst. "Archive sind nicht bloß totes Papier. Sie bewahren vielmehr das Kulturgut." Man müsse deshalb Acht geben, dass die Geschichte von Vereinen, Orten oder Städten nicht verloren geht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Als eine der ersten Amtshandlungen kann sich der 49-Jährige deshalb gut vorstellen, Vereine aufzusuchen und Hilfestellung bei der Archivierung von Unterlagen zu geben. "Oft ist es doch so, dass die Unterlagen in verschiedenen Händen sind, irgendwo abgelegt werden, und wenn dann zum Jubiläum eine Chronik erstellt werden soll, beginnt das Suchen."

Auch das im Rathaus untergebrachte Archiv der Stadt Porta Westfalica könne eine Ertüchtigung vertragen, meint Karras. "Die Stadt hat nicht nur die rechtliche Verpflichtung, die Unterlagen aus den ehemals selbstständigen Gemeinden aufzubewahren, sondern sollte die Dokumente auch benutzerfreundlich präsentieren."

Bevor Wolfgang Karras jedoch intensiv an die Arbeit geht und sich auch dem Kleinenbremer Ortsarchiv in der Schule widmet, werden noch einige Monate vergehen. Obwohl er bereits im Frühjahr offiziell zum Heimatpfleger bestellt wurde, gilt sein Augenmerk vorerst dem TuS Kleinenbremen. Hier betreut er die Nachwuchskicker. "Nach dieser Saison ist damit aber Schluss, Jugendbetreuer sollten jünger sein als ich."

Bleibt Karras so lange im Amt wie sein Vorgänger, ist er noch 2015 Kleinenbremer Heimatpfleger. Wilhelm Gerntrup hatte den Posten zwölf Jahre inne. "Ich habe das mit Freude gemacht und das Amt auch politisch verstanden. Nicht im Sinne von Parteipolitik, sondern im Bemühen darum, Offentlichkeit herzustellen." Das ist ihm - auch als Mitarbeiter des Mindener Tageblattes - zweifellos gelungen.

Gut in Erinnerung sind Gerntrup die Diskussionen über den Zuzug von Asylbewerbern und Aussiedlern. Auch er als Heimatpfleger bezog seinerzeit Stellung und belegte mit seinen Recherchen, dass der Zuzug von Fremden in der Ortsgeschichte nichts Neues ist und eine Bereicherung sein kann. Heimatpflege in Gerntrups Sinne beschränkt sich nicht nur auf das Sammeln von Daten, sondern zeigt Entwicklungsmöglichkeiten auf. Der Blick geht zurück und nach vorn. "Ohne Herkunft keine Zukunft."

Die Auseinandersetzungen, die solch ein Amt auch mit sich bringt, wird Wilhelm Gerntrup übrigens vermissen. "Streitkultur ist ein hoher Wert", sagt er. "Die Kleinenbremer haben die Fähigkeit, sich wunderbar zu fetzen."

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30.08.2003
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