Bundeskanzler Schröder frühzeitig auf rechts gedrillt
Linkshänder-Beraterin informiert Eltern, Lehrer und Erzieherinnen / Qualvolle Prozeduren der "Umschulung" / Viele Vorurteile, wenig Wissen

      

Andersrum ist auch normal: Spätestens bei der Einschulung sollte das Kind wissen, welche Hand dominant ist. Foto: MT-Archiv (dpa)

Von Kerstin Kornfeld

Porta Westfalica-Kleinenbremen (mx). Franz Josef Strauß war einer, Mahatma Ghandi auch, Marilyn Monroe und Heidi Kabel, Goethe und Mozart, Käthe Kollwitz und Jack the Ripper, Aristoteles und Gerhard Schröder - alles Linke, wobei unser Kanzler allerdings bereits in jungen Jahren auf rechts gedrillt wurde.

Der Statistik zu Folge bevorzugen bis zu einem Viertel der Bevölkerung ursprünglich die linke Hand. Da die meisten jedoch bereits ganz früh "umgeschult" wurden, ist faktisch nur jeder zehnte ausgewiesener Linkshänder.

Wissenswertes und Praktisches für große und vor allem kleine Linkshänder sowie ihre Eltern, Erzieherinnen und Lehrer vermittelte Frauke Rathsmann-Schuchardt mit einem Vortrag in der Grundschule Kleinenbremen. Die Mindener Linkshänder-Beraterin stellte fest, als ihr linkshändiger Sohn eingeschult wurde: "Rund um das Thema gibt es viele Vorurteile, wenig Wissen und einen großen Bedarf." Bei der 1985 in München gegründeten Beratungs- und Informationsstelle für Linkshänder holte sie das fehlende Wissen ein und gibt es jetzt an Grundschulen im Mühlenkreis weiter, wobei sie Fragen und Beratung reichlich Raum lässt.

Um die Linkshändigkeit, die übrigens erblich ist, ranken sich seit dem Altertum jede Menge Vorurteile, die längst nicht alle schlichtweg kurios oder komisch sind, sondern massive, das seelische und körperliche Wohlbefinden der Linkshänder beeinträchtigende Folgen haben können - quer durch alle Kulturen und Zeiten. So mag es noch harmlos sein, dass ein Linkshänder in Ghana nicht König werden kann oder sich Japaner früher scheiden lassen durften, wenn sie entdeckten, dass ihre Frau die linke Hand bevorzugte. In unserer Sprache gelten Bezeichungen wie "ein linker Typ" oder "linkisch" nach wie vor als abwertend.



Viele umgepolte, erwachsene Linkshänder erinnern sich daran, wie qualvoll die als Umschulung verharmloste Prozedur war, der sie als Kinder ausgesetzt wurden. Das Repertoire der Erziehenden reicht da von der harmlosen Aufforderung "Gib der Tante das schöne Händchen!" bis zum Eingipsen oder qualvollen Festbinden der linken Hand auf dem Rücken.

Frauke Schuchardt warnt vor solcher "Umschulung" und appelliert an alle Erziehenden: "Die Händigkeit ist angeboren und bedingt durch die Dominanz einer Hirnhälfte. Umschulung bedeutet einen massiven Eingriff in Gehirnprozesse und kann gravierende Folgen haben." Die könnten von Gedächtnis-, Sprach- und Konzentrationsstörungen über Bettnässen und Nägelkauen bis zu Störungen der Persönlichkeit und des Verhaltens führen.

Ärzte und Therapeuten helfen weiter

Deshalb ist es wichtig, so die Beraterin, frühzeitig herauszufinden, welche Hand ein Kind bevorzugt. Dafür gibt es Tests, falls es nicht offensichtlich ist. Manchmal ahmen gerade kleine Kinder nämlich ihre rechtshändigen Eltern oder Geschwister nach beim Werkzeuggebrauch (Schere, Stift, Gabel), obwohl eigentlich ihre linke Hand die stärkere und geschicktere ist.

Bereits ab dem 15. Lebensmonat sei zu erkennen, so Schuchardt, mit welcher Hand ein Kleinkind lieber greife. "Spätestens mit Ende des vierten Lebensjahres sollte sich ein Kind mit seiner Händigkeit offen zeigen und zum Beispiel beim Malen diese nicht mehr wechseln. Falls es das nicht tut, kann das Ausdruck eines Problems sein, über das Eltern mit Ergotherapeuten oder Kinderärzten sprechen sollten."

Füller und Flöte für Linkshänder

Spätestens bei der Einschulung muss das Kind wissen, welche Hand dominant ist. Der linkshändige Schulanfänger braucht spezielle Werkzeuge (Linkshänder-Schere, -Füller, -Anspitzer und sogar -Flöte) und Tipps zur optimalen Schreibhaltung: Er schreibt "bergab", stoßend und das Blatt istnach rechts geneigt. "Das muss man in den ersten sechs Wochen einüben, sonst ist es oft zu schwer, sich umzugewöhnen", sagt die Beraterin. Weitere Informationen gibt es unter der Telefonnummer 05 71/ 829 22 99.

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13.03.2004
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