Lässt man sich beim Betrachten
Zeit, scheint die bizarre und zugleich ästhetisch anmutende
Gitterlandschaft der Talbrücke ein Eigenleben zu entwickeln.
Die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte waren von dem Bauwerk zwischen
Kleinenbremen und Todenmann jedenfalls fasziniert. Fotos: Wilhelm Gerntrup
Von Wilhelm Gerntrup
Porta Westfalica-Kleinenbremen (gp). Manche lieben historische
Dampfeisenbahnen, andere schwärmen fürs Fliegen - die Mitglieder der
Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte e.V. (AGAB) berauschen sich an
Anblick und Flair schneller Überlandverbindungsstraßen. Bei einem
Ausflug ins heimische Wesergebirge nahmen sie die A2-Viadukte ins Visier.
"Was für Formen", staunte Stefan Brooks beim Blick hinauf in
die luftige Höhe. "Welche Figur!" Die Begeisterung des
stellvertretenden AGAB-Vorsitzenden galt der Autobahn-Talbrücke zwischen
Todenmann und Kleinenbremen. Books hatte die Vorbereitung der diesjährigen
Erkundungstour übernommen. Mit ihm genossen 22 gleichgesinnte Fans die
sich hoch über ihnen wölbende Konstruktion.
Besonders glücklich machte die Teilnehmer vor allem die Möglichkeit, den
als architektonisches Meisterwerk geltenden Bau sozusagen im Urzustand
miterleben zu dürfen. Hintergrund: Die 1939 errichtete, kurz vor Ende des
Zweiten Weltkrieges in die Luft gesprengte und danach mehrmals umgebaute
und erweiterte Brücke ist im Zuge der vor geraumer Zeit angelaufenen
Komplettsanierung entkernt und zurückgebaut worden. Auch die in den
siebziger Jahren nachträglich angeflickten Kragarme und
Erweiterungs-Fahrbahnen wurden abgetrennt. Wenn alles fertig ist, wird ein
Teil des Verkehrs über eine Zweitbrücke fließen, die derzeit dicht
neben dem Altviadukt hochgezogen wird.
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Begonnen hatten die AGAB- Leute
ihren Trip entlang des Trassenabschnitts durchs Wesergebirge an der Weserüberquerung
bei Bad Oeynhausen. Nach dem Zwischenhalt in Kleinenbremen standen noch
Besuche bei den Talbrücken Schermbeck, Luhden und Steinbergen auf dem
Programm. Den Abschluss bildete ein gemütlicher Ausklang in Bad Eilsen.
Verein räumt auch mit
Legenden auf
Das Gros der Teilnehmer hatte wegen der heimischen Brücken- Highlights
weite Anfahrtswege (auf der Autobahn, versteht sich) auf sich genommen. Im
Fahrzeugtross waren Hamburger, Münchener und Berliner Kennzeichen zu
sehen. Genauso vielfältig und bunt gemischt wie die Herkunftsorte ist der
private und berufliche Hintergrund der rund 75 Vereinsmitglieder. Neben
leitenden Ingenieuren aus den staatlichen Straßenbaubehörden machen
Studenten, Historiker und Hausfrauen mit. Das verbindende Band ist ein
ausgeprägtes, zuweilen schwärmerisches Interesse an
Entstehungsgeschichte und Schicksal der deutschen und internationalen
Autobahnen.
Neben regelmäßigen Treffen und Besichtigungsfahrten steht die Sammlung
historischer Dokumente, der Einsatz zur Erhaltung denkmalwürdiger
Bauwerke und die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen im
Vordergrund. Zurzeit ist der Verein dabei, Kontakte zu Autobahn- Freunden
in anderen europäischen Ländern zu knüpfen.
Zum Zusammenschluss der deutschen Fans kam es vor knapp fünf Jahren.
Zuvor hatte es bereits Kontakte via Internet gegeben. Bei einem ersten
gemeinsamen Ausflug wurde ganz spontan die Gründung eines gemeinnützigen
Vereins beschlossen. Information und Kontakte untereinander werden hauptsächlich
über die Internetadresse gepflegt und verbreitet (www.autobahngeschichte.de).
Keinen Zweifel mögen die Autobahnfreunde hinsichtlich ihrer historischen
Glaubwürdigkeit aufkommen lassen. "Zu unserer Aufklärungsarbeit gehört
auch das Aufräumen mit der Legende, der Autobahnbau sei eine Erfindung
Adolf Hitlers und habe zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit
beigetragen", macht Stefan Brooks klar. "Uns geht es darum, die
großen Leistungen der Ingenieure und Architekten in der damaligen Zeit
deutlich zu machen."
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07.05.2004
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