Einen Nandu als Beschützer
Horst Krienings acht ,,Südamerika-Strauße’’ wachen über Geflügel

      

Von Stefan Lyrath

Porta Westfalica-Kleinenbremen (Ly). Der Habicht holt keine Hühner mehr. Seitdem Horst Kriening (48), Nebenerwerbslandwirt aus Kleinenbremen, auf seinem Hof Nandus hält, belässt es der Greif bei regelmäßigen Aufklärungsflügen und sieht von Attacken ab.

Alles andere würde dem Habicht auch schlecht bekommen. Erstens sind ausgewachsene Nandus mit 1,50 Metern bis zum Scheitel ein paar Nummern größer als er, zweitens verstehen die acht südamerikanischen Laufvögel keinen Spaß, wenn ihre kleinen Freunde in Gefahr sind. ,,Sobald der Habicht kreist, laufen sie in die Nähe des anderen Federviehs, um es zu beschützen’’, hat Horst Kriening beobachtet, durch dessen großes Freigehege neben Hühnern außerdem Gänse watscheln.

Ein gezielter Tritt würde genügen, um dem Greifvogel nachhaltig den Appetit zu verderben. Erst recht abschreckende Wirkung auf Krummschnäbel hat wohl ein afrikanischer Strauß, größter Vogel der Erde, der aufgerichtet mehr als mannshoch ist und die Runde der gefiederten Exoten auf Krienings Hof komplett macht.

Für Laien sehen auch Nandus wie etwas klein geratene afrikanische Straußenvögel aus, ohne mit diesen jedoch enger verwandt zu sein. Sie werden auch ,,Südamerika-Strauße’’ genannt. Sicher ist, dass die Langhälse zwar Habichte einschüchtern, gegenüber ihrem Herrchen jedoch lammfromm sind, gleichzeitig allerdings ziemlich vorwitzig.

,,Sie klauen mir schon mal den Schlüsselbund aus der Tasche, den Zollstock aus der Hose, ja sogar den Hut vom Kopf’’, schmunzelt Kriening. ,,Danach laufen sie in die Wiese und ich muss hinterher.’’ Über das Vorurteil, wonach diese Tiere wegen ihres kleinen Kopf in Verbindung mit dem auffallend langen Hals dumm sein sollen, kann der Kleinenbremer daher nur lachen. ,,Sie sind nicht doof, sondern ziemlich schlau’’, betont er.


 

Sein zehn Jahren hält Horst Kriening Nandus. Anfangs wollte er ,,einmal etwas Besonders haben’’. Mittlerweile hat er seine Hausgenossen mit all ihren Eigenarten lieb gewonnen. Die Augen des 48-Jährigen beginnen zu leuchten, wenn er erzählt, wie die Riesenvögel über die Wiese tanzen, in die Luft springen oder sich bei der Balz mit ausgefahrenen Flügeln zu voller Pracht strecken.

Unter so genannten Feinschmeckern gewinnt Straußenfleisch zunehmend an Beliebtheit, gern auch als Weihnachtsbraten. ,,Schlachten?’’, fragt Kriening entsetzt, beschreibt im nächsten Satz das weiche Gefieder am Hals und freut sich, dass ihm die Nandus aus der Hand fressen. ,,Schlachten ist kein Thema, das könnte ich nicht.’’

An einen Tag im Sommer vor zwei Jahren denkt der Kleinenbremer besonders gern zurück. Kriening sah aus dem Fenster und wunderte sich: ,,Was rennt denn da rum?’’ Es waren kleine Nandus, frisch geschlüpft und soeben auf erster Entdeckungstour. Dann ging für Kriening das Gerenne los. Baby-Strauße fressen nicht alles, sie verlangen in Gefangenschaft vielmehr nach Spezialfutter. Mithilfe der Genossenschaft gelang es, das gute Zeug zu besorgen.

Hahn übernimmt das Brutgeschäft

Kriening wollte auch sonst nichts falsch machen, zog den Nachwuchs zunächst unter der Rotlichtlampe im Stall auf, trug die sechs Kleinen jeden Tag ins Freigehege. Seitdem hat sich kein weiterer Familienzuwachs mehr eingestellt. ,,Eier wurden auch dieses Jahr gelegt, aber die Tiere setzten sich nicht’’, erzählt der Züchter etwas bekümmert. Nandu-Hennen sind übrigens recht emanzipiert: Sie überlassen dem Hahn das Brüten.

Mit dem Klima hier zu Lande haben sich die Nandus anscheinend arrangiert. ,,Meine Laufvögel haben warme Stallungen, gehen aber sogar nachts nur selten rein’’, erzählt Horst Kriening. ,,Lieber sitzen sie im Schnee und lassen sich zuschneien.’’



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24.12.2004
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